Freitag, 3. Mai 2013

Ich bin umgezogen!

ja, genau, es gibt eine neue Seite! Da die Aufmerksamkeit bzgl. meiner Kolumnen sehr gewachsen ist, habe ich beschlossen, dass anidenkt. eine richtige Website verdient und die hat sie jetzt bekommen.

Diese Seite bleibt bestehen, zum Stöbern und zwecks der Weiterleitung. Ich hoffe, ihr schaut vorbei, ich freue mich! Und los geht's:

---> anidenkt. 2.0 <---

ODER BESUCHT MICH AUF FACEBOOK (Kasten rechts, ich freue mich über jeden unterstützenden Klick!)

Donnerstag, 18. April 2013

Mit erhobenem Herzen


Wo fange ich an?

Vielleicht beim Ende. Ich sitze wieder in München und möchte zurück. Zumindest das Kind in mir.
Das liegt nicht daran, dass ich mich nicht auf die Menschen hier gefreut habe. Oder dass mein Geburtstag aufgrund starkem Jetlag der beiläufigste und gleichzeitig anstrengendste Geburtstag meines Lebens war. Auch nicht, weil es mir hier zu kalt ist, obwohl nun anscheinend der Frühling sein blaues Band wirft.
Nein, ich will zurück, weil Loslassen so schwierig ist und das, was ich am wenigstens kann.
Ich ertappe mich dabei, wie ich an die Wand starre, weil vor meinem inneren Auge Bilder tanzen. Wie ich zum Beispiel in einer Strandhütte Wäsche wasche und aufhänge. Wie sich nachts ein kleines Kätzchen hereinschleicht und mich zu Tode erschreckt. Wie ich staunend um halb 7 morgens vor dem Taj Mahal stehe und sehe, wie die aufgehende Sonne den weißen Marmor in warmes Licht taucht. Wie ich auf dem Roller sitze, mich am Anderen festhalte und mein Blick sich in der dschungelartigen Landschaft verliert. Wie ich dem kleinen Betteljungen in Jodhpur eine Spritzpistole kaufe, damit er das Holi-Festival feiern kann. Und wie seine Augen strahlen, als er sie wie eine Trophäe in der Hand hält.

Reisen ist Zauberei. Es macht alles mit dir, was du brauchst, um zu wachsen, aber es zu verstehen benötigt seine Zeit.
Du wirst verwöhnt, begeistert, mitgerissen. Du wirst aber auch an deine Grenzen gebracht, wenn die körperliche Erschöpfung naht oder die Armut, mit der du ungefiltert konfrontiert wirst, kaum zu ertragen ist. Und genau diese Mischung ist es, die wir brauchen, um über den Tellerrand zu schauen. Zu sehen, wie viele Geschenke wir tagtäglich bekommen. Sei es ein Lächeln in den Slums von Mumbai oder ein unfassbar leckeres Abendessen.

Jeder Tag ist ein Geschenk. Jeder Mensch, der ihn mit uns teilt, ist ein Geschenk. Wenn ein Tag nicht so gelaufen ist, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, dann war ich schlecht gelaunt und launisch. Bis es dafür etwas anderes zu entdecken gab. Und auf einmal war ein Richtungswechsel möglich, den ich vorher nicht gesehen hatte. Zum Beispiel musste es so sein, dass uns eine Stadt eben nicht gefiel, um die Rucksäcke zu packen und an den Ort zurückzukehren, an den es uns sowieso die ganze Zeit hingezogen hatte. Und wenn mir mal jemand blöd kam, dann habe ich gelernt, ihn gekonnt in die Schranken zu weisen und daran aber auch gleichzeitig erkannt, wie wenige dieser Menschen mir überhaupt über den Weg laufen.
Das war dann wieder ein Geschenk.

Jetzt bin ich zurück und versuche, meine alten Denkmuster zu belächeln. Mein typisches Deutsch-Sein. Denn ich fange natürlich schon an, mich über die Dinge aufzuregen, die es in Indien gar nicht gegeben hatte. Ereignisse, die ich dort größtenteils belächelt habe, finde ich hier ganz schnell furchtbar nervend, weil alle sich aufregen und man automatisch mitzieht. Daher versuche ich gerade herauszufinden, wie ich die perfekte Gradwanderung schaffe, meine Erlebnisse weiterhin in mir zu tragen und weiterzugeben, aber ohne mich in Tagträumen zu verlieren.

Es ist wichtig, zu erkennen, dass wir in einem der besten Länder der Welt leben. Hier gibt es alles in Hülle und Fülle, der größte Luxus liegt vor unseren Füßen, jedoch sehen wir ihn nicht. Gleichzeitig sollten wir uns vor Augen halten, was wir von Menschen lernen können, die viel weniger haben und doch bzw. gerade deswegen so viel genügsamer sind.

Wie funktioniert es, nicht immer gleich die ganze Hand zu wollen, wenn einem mal der Finger gereicht wird?

Wie funktioniert es, einfach mal anzunehmen, ohne sich schlecht zu fühlen und gleich etwas zurückgeben zu müssen?

Wie funktioniert es, eine Diskussion zu führen, ohne zu streiten, Mitmenschen zu beleidigen und sich in der Opferrolle zu suhlen?

Wie funktioniert es, von einem anderen Menschen nichts zu verlangen und ihn so sein zu lassen, wie er ist?

Wie funktioniert es, nichts zu tun?

Ausprobieren. Reisen gehen und diesen wundervollen Planeten kennenlernen. Vor allem Ländern eine Chance geben, die so verwirren und faszinieren, wie Indien. Länder, die zeigen, dass es auch anders geht.
Einer der ersten Sätze, den ich dort gelesen habe, war ein deutsches Zitat, geschrieben an eine Tapete in einem der dreckigsten Löcher, in denen ich gegessen habe. „Die Rationalität kämpft und verliert gegen Indien“.

Ich wünsche mir, dass sie irgendwann gegen die ganze Welt verliert. Dass wir uns unsere berechtigte Verrücktheit eingestehen. Nicht immer alles in Frage stellen. Fühlen. Und erhobenen Herzens von Land zu Land ziehen.

Für D., weil du alle meine Launen mit Gelassenheit ertragen hast, immer Licht uns Dunkel gebracht hast und mich zurechtgewiesen hast, wenn es nötig war.

© 2013 Ani


Freitag, 15. März 2013

Der Applaus


Vor kurzem war ich auf einem tollen Konzert. Es war in einer kleinen Bar, der Sänger saß im Eck am Mikrofon, zwei Gitarren hatte er dabei. Das war alles. Es war eines dieser unglaublich intimen Konzerte, von denen man das Gefühl hat, der Künstler würde nur für einen selbst singen. Quasi eine Privatvorstellung. Und dann fing jemand an, laut zu reden. So laut, dass man davon ausgehen musste, dass er gehört werden wollte. Es legte sich binnen Sekunden eine derartige Spannung über die eigentlich schöne Atmosphäre, dass ich innerlich anfing zu brodeln. Was für ein unangenehmer Mensch, der auf diese penetrante Art und Weise nach Aufmerksamkeit haschen musste. Der uns alle daran teilhaben lassen musste, dass er demnächst nach L.A. fliegen würde zu einem Was-weiß-ich-ich-bin-doch-nur-ein-armes-Würstchen-Dreh.
Die Stimmung versuchte ich krampfhaft beizubehalten, mich nicht ablenken zu lassen oder ihm gar weiterhin zuzuhören. Trotzdem fing ich an, mich selbst zu verkrampfen. Nachdem meine Freundin ihn gebeten hatte, sich ruhiger zu unterhalten, machte er einfach genau so weiter. Und ich fragte mich:

Ist nur er das oder nehmen wir uns alle insgesamt viel zu wichtig?

Schwierig zu sagen. Klar weiß man, dass man selbst den Anstand hat, in gewissen Momenten die Klappe zu halten oder – wenn einem die servierte Kunst nicht passt – die Bar zu verlassen... aber mal ehrlich? Brauchen wir nicht alle irgendwo den Applaus? So manchmal? Und wann wird es einfach lächerlich? Fängt es bei beim fishing for compliments an oder hört da der gute Geschmack schon eigentlich längst auf?

Ich als Schauspielerin habe schon öfter mit den typischen Vorurteilen des Berufes zu kämpfen gehabt. Zum Beispiel sind wir alle durch und durch narzisstisch veranlagt, ausgeprägte alpha-Tierchen oder einfach egozentrisch. Mag sein. Aber wenn die Welt eine Bühne ist, dann sind wir das doch alle. Alle ein bisschen zu egoistisch, alle ein bisschen zu wichtig.

Und ja, wir nehmen uns alle zu ernst. Unseren Beruf. Unsere Meinung. Unsere Frisur. Sogar unseren Humor, denn wenn keiner mit lacht, wird es auch ganz schnell ernst. Was kann man dagegen tun, außer ein paar Mal mehr zu lachen, als man es eigentlich gewohnt ist?
Es ist schwierig, sich und das Leben locker zu nehmen, wenn einem jahrelang anderes gepredigt wurde. Das Leben ist kein Ponyhof.
Unsere Großeltern hatten es schwer, unsere Eltern teilweise auch noch. Aber wir? Haben wir es wirklich so schwer, dass wir uns und alles um uns herum so unglaublich ernst nehmen müssen? Oder ist es gerade, weil es uns so gut geht, auch gleichzeitig nicht möglich, den Blick auf das Wesentliche zu schärfen? Zu unterscheiden zwischen Schwere und Leichtigkeit. Zu sehen, dass ich mir keine Gedanken um Stirnfalten machen muss, wenn ich den ganzen Tag lache. Und dass ich mich definitiv ab und an ernst nehmen soll und kann und darf, wenn ich andere gleichzeitig genauso akzeptiere.
Wenn ich also sozusagen den Raum, den ich mir nehme, auch gerne zurückgebe?

Ich persönlich bin ein guter Zuhörer und ich kann auch mal einen Monolog schwingen, wenn mir danach ist. Ich nehme mir heraus, zu behaupten, dass ich auf einem guten Weg bin, dieses Taktgefühl zu stärken, welches mir zeigt, für welche Verhaltensweise nun gerade Zeit ist. Und für welche nicht, weil sie ganz einfach fehl am Platze ist.

Ich werde ja ein Fan sogenannter Feedback-Gespräche. Deren Sinn ist es, dann und wann miteinander zu reden und sich gegenseitig zu sagen, was man am Gegenüber kritisieren möchte oder loben. Egal, ob das nun innerhalb von Freundschaften, Partnerschaften oder am Arbeitsplatz ist. Fakt ist, dass man die enorme Schwere und teilweise sinnlose Ernsthaftigkeit von Streitereien umschifft, weil man zusammenkommt in einem Moment, der in Harmonie entstanden ist. Keiner schreit den anderen an und keiner fühlt sich angegriffen. Hinterher kann man ein bisschen lachen.

Das kleine Würstchen in der Bar hätte ich wirklich gerne ausgelacht. Zu sehen, wie dermaßen verloren manche Menschen sind, wie sie sich an jeden Hauch von Aufmerksamkeit klammern, macht mich manchmal sprachlos. Aber hätte ich ihn ausgelacht, hätte ich mich auf die gleiche Stufe gestellt. Ich wäre laut geworden, so wie er, und hätte danach den Applaus des ganzen Publikums bekommen. Nein, der war nur für den Künstler bestimmt. Und wenn ich meinen eigenen Raum ausdehne, dann schütze ich auch den von anderen.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich für einige Wochen nach Indien und hoffe, dass ich mit ganz vielen Erfahrungen und daraus resultierenden ani.gedanken wiederkomme. Namaste!

© 2013 Ani 

Dienstag, 5. März 2013

I have a little confession to make


Mit Supertramp in den Ohren jogge ich an der Isar entlang und bemerke – vielleicht zum ersten Mal – , dass das Wasser unglaublich glitzert. Nach einem gefühlten Viertel meiner ursprünglichen Jogging-Runde klappe ich fast zusammen und meine Lunge tut unglaublich weh. Vier Monate kein Sport. Und ich schaue von der Brücke aus auf das Wasser, wische mir die gedanklichen Tränen von gestern weg und denke mir: Ani. Das kann es doch echt nicht sein.

Ein Wochenende habe ich gebraucht, um nach drei Monaten Abstinenz von meiner gefühlten Heimatstadt in dieser wieder Fuß zu fassen. Nein, das ist gelogen, ich fühle mich immer noch nicht wieder wohl. Da ist irgendetwas anders. Und es fehlt was. Irgendwie möchte ich aber wieder ankommen, mich wieder wohl fühlen. Mag für den ein oder anderen einfach sein, aber ich bin ein Gewohnheitstier und für mich ist das eine richtige Aufgabe. Dazu kommt, dass alles, aber auch alles, was mir gerade nicht passt, über mich hereinbricht. Doch diesmal wird alles anders.
Ich habe mir überlegt, was in meinem Leben ein Geschenk ist, das ich mir immer gewünscht hatte. Um die Dinge, die meiner Meinung nach nicht rund laufen, ruhen lassen zu können. Die Liste ist lang, wenn man vor allem bedenkt, dass da ausschließlich Großartiges zu lesen ist. Sie reicht von meiner Bilderbuch-besten-Freundin zu meinen Eltern, die alles toll finden, was ich mache. Über den Anderen, bis hin zu neuen, beruflichen Plänen, die auf einmal einfach funktionieren. Und endet beim wichtigsten Menschen in meinem Leben und der Erkenntnis, dass ich diesen doch eigentlich gut leiden kann. Selbst wenn er sich in den Schlaf heult.

Trotzdem habe ich es neben all diesen Dingen in letzter Zeit so oft geschafft, zickig, launisch und schlecht gelaunt zu sein. Mittlerweile suche ich zwar die Fehler so gut wie nur bei mir, aber das macht es im Anfangsstadium auch nicht so leicht. Warum also? Wie lange müssen wir noch mit Liebe und Chancen überschüttet werden, bis wir daran ersticken und endlich inne halten? Und sehen, dass wir morgen schon das vermeintliche Problem von heute belächeln?
Wie lange finden wir hinter jedem Satz noch ein „aber“? Wie lange dauert es noch, bis wir verinnerlicht haben, dass wir erst uns selbst verzeihen müssen, um mit dem Drumherum unseres Lebens klarzukommen? Um beispielsweise Mitmenschen verzeihen und sie vor allem verstehen zu können?
Wie lange dauert es noch, bis wir akzeptieren? Das heißt ja nicht, dass wir untätig da stehen müssen, weil wir uns einreden, keinen Einfluss auf unser Leben zu haben. Das heißt nur, dass es manchmal einfach so ist, wie es ist.
Klar, das ist die Königsdisziplin. Ich sage mir ganz oft: Ani, du bist Widder. Und Einzelkind. Wenn du von Haus aus akzeptieren könntest, dann wäre das irgendwie ein Fehler im System. Und dadurch nehme ich mir gleichzeitig den Druck raus, alles können zu müssen.
Denn müssen muss ich gar nichts. Ich kann und ich will. Aber ich muss nicht.

Also, wann fangen wir an? Heute? Oder doch lieber morgen? Weil es heute vielleicht irgendwie noch nicht so passt? Weil man noch Wäsche aufhängen muss und sich kurz, aber wirklich nur kurz nochmal aufregen möchte? Schon gescheitert.

Wenn die von mir sehr geschätzte, 86-jährige Louise L. Hay, die ihre ganz Kindheit lang missbraucht wurde und keinen Highschool-Abschluss hat, es schaffte, sich ein weltweites Unternehmen aufzubauen und jeglichen Wunsch zu erfüllen, dann kann ich das ja wohl auch. Der Schlüssel ist eine Mischung aus positivem Denken, mit sich im Reinen sein und kein „aber“ zuzulassen.

Wir können es uns nicht leisten, zu zweifeln und zu zögern. Denn genau das ist es, was uns zurückhält, was uns daran hindert, dort zu sein, wo wir längst sein wollen. Und wozu eigentlich dieses „aber“? Was hat es uns je gebracht? Wenn wir der Intuition folgen und einfach reinspringen ins Abenteuer und es am Ende nicht funktioniert, dann ist es eben so. Dann kommt die Akzeptanz ins Spiel. Verloren haben wir dadurch letztendlich nichts, wir haben eher an Weisheit und Erkenntnis gewonnen. Punkt.

Die wichtigste und grenzenloseste Sache auf der Welt ist Liebe. Um „Ich liebe dich“ zu sagen, verzichten wir auf die Skepsis. Auf einen Hinterausgang. Wir lassen uns voll und ganz fallen, anders geht es gar nicht. Die Worte und das damit verbundene Gefühl können gar nicht existieren, wenn es ein Hintertürchen geben würde. Wie kann es dann sein, dass wir unser Leben lang nur auf der Suche nach diesem Gefühl sind, und uns ab und an bedingungslos hineinwerfen, während wir Angsthasen bezüglich so vieler anderer Situationen sind? Schließlich verlieren wir die allseits geliebte Kontrolle dabei. Trotzdem tun wir es. Weil nichts anderes zählt. Das weiß jeder von uns.
Aber bei kleineren Dingen trauen wir uns nichts zu. Finden Ausreden und verschieben alles in dieses Mysterium, welches wir morgen nennen.
Wie können wir es also schaffen, einerseits bedingungslos zu lieben – sei es den Partner, die Mutter, das Haustier – aber gleichzeitig immer wieder zurückschrecken vor alltäglichen Baustellen?

Ich jogge, bis ich sprichwörtlich umfalle. Ich meditiere, bis ich einschlafe. Ich mache Yoga, obwohl oder gerade weil mein Körper so eingerostet ist. All das ist jenseits der Perfektion, und das bin ich auch.

Alles ist an seinem Platz. Atmen. Ich habe alles, aber auch alles, richtig gemacht. Atmen. Hätte ich anders handeln können, hätte ich anders gehandelt. Hab ich aber nicht. Atmen. Ich liebe dich ohne aber. Atmen. Und das fühlt sich verdammt gut an. Atmen.

© Ani 2013

Donnerstag, 28. Februar 2013

Der Kuss Kosmos


Es ist ja so ´ne Sache mit dem Küssen. Hat man jemanden gefunden, bei dem man merkt, dass man niemand anderen mehr küssen will, dann kommt man auch ins Grübeln, wie viele falsche Hasen (oder Frösche) man da mal an den eigenen Mund herangelassen hatte. Und merkt, dass niemand und nichts davon mehr passt und diese ehemaligen Knutschereien nur Zeitvertreib gewesen sein konnten. Und Übung. Und das Testen des berühmten Auswahlverfahrens.

Diese Kuss-Kumpels von früher, die Leichen im Keller oder die Geister, die man eigentlich nie mehr rufen möchte – man kann sie betiteln, wie man will, irgendwann kommen sie doch immer zurück. Ein komische SMS in der Nacht, eine unmögliche E-Mail oder ein kurzer Moment zu lange bei Facebook online und zack... da wird man auf einmal wieder kontaktiert vom früheren Versuchskaninchen. Warum fordern die eigentlich immer was von einem, wenn man so glücklich ist, dass man am liebsten für immer die Tür des eigenen Kuss-Kosmos schließen und nie wieder verlassen möchte? Die wollen davon was abhaben, ein Stück dieser zuckersüßen Torte. Nix da. Sag ich. Ich habe die Kontrolle, bzw. das Universum hat die Kontrolle, aber das meint es ja gut mit mir.
Was aber, wenn die lebendigen Toten aus dem ehemaligen Kuss-Keller des Partners auftauchen? Wenn dem einstigen Urlaubsflirt meines Anderen vom ortsansässigen Wahrsager die große Liebe prophezeit wird und die Gute beschließt, diese Aussage auf ihn zu projizieren? Und dann auch noch ins Flugzeug steigt, der Heimat entflieht und das große Glück in Deutschland sucht? Man mag viel spekulieren, wenn das die Eckdaten sind, die man weiß, denn man kennt kuriose urbane Mythen, bei denen diversen Menschen immer etwas passiert, worüber man schallend lachen kann – solange es einem selbst nicht passiert. Doch irgendwann ist man auf einmal derjenige, über den die Geschichten erzählt werden, bei denen jeder sagt: Das glaube ich erst, wenn ich es selbst erlebe!
Ach ja? Na dann, bitteschön.

Mal ehrlich. Keiner will einen Partner, den keiner toll findet, außer man selbst. Dann fängt man auf kurz oder lang wohl auch an zu zweifeln. Aber man möchte ebenfalls nicht, dass die Lebensabschnittsgefährten der Vergangenheit auf einmal in die Gegenwart hüpfen und versuchen, ein bisschen Chaos anzurichten. Nein, das möchte man nicht. Und wie löst man das Problem? Dem Stalker selbst auflauern und in einer dunklen Gasse den Hintern versohlen? Ja, das wäre kindisch, aber es würde zumindest mehr Spaß machen, als die erwachsene Variante zu wählen: Kommunikation. Zwar fängt dieses Wort mit K an, kann sich also genauso positiv wie ein Kuss auswirken, nur leider tun die Kardashians das auch und da kommt ja nie was Gutes bei raus. Nicht mal was Schlechtes.
Und trotzdem wähle ich, mutig und stolz, wie ich bin (zu stolz zum Prügeln), den Weg des Gespräches. Und lerne einmal mehr, zu meinen Schwächen zu stehen. Schwächen, die eigentlich Stark-Schwächen genannt werden müssten, denn sie umfassen Angst, Zweifel, Skepsis und Unsicherheit. Wer kann schon in heutigen Zeiten, in denen man manchmal so schnell alles verliert, wie man es bekommen hat, von sich sagen, dass er so zu seinen Schwächen steht, dass sie ihn am Ende des Tages stark machen? Und ein bisschen mehr authentisch. Und dadurch vielleicht auch ein bisschen liebenswerter?

Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich in früheren Knutsch-Milchstraßen die toughe Freundin gespielt habe, die sich allenfalls mal dazu herabließ, sarkastische Kommentare über Beziehungsprobleme zu machen. Wer mich kannte und hinter die Fassade blicken wollte, der wusste, wie schlecht es eigentlich um die Gefühle eines Menschen steht, wenn er sarkastisch wird. Aber die, die sich keine Mühe machten, die Gedanken einer Frau zu lesen, applaudierten mir zu und betitelten mich als geistreiche Persönlichkeit. Ja gut, so sind wir halt, wir oberflächlichen Kosmonauten.

Doch wenn man jemanden gefunden hat, für den es sich lohnt, der Verletzlichkeit Platz zu machen und ehrlich zu sprechen, dann sollte man das auch tun. Also spreche ich aus, was mir nicht geheuer ist. Wovor ich Angst habe. Und was mich unsicher macht. Wenn es auch noch so uncool ist. Und dann hoffe ich, dass ich nicht alleine auf hoher See davonschippern muss, sondern, dass wir zu zweit im Boot sitzen. Und mal schauen, was passiert. Mit all den Leichen im Keller – vor allem mit der mittlerweile wieder Lebendigen.
Die Zeit vertreiben wir uns, indem wir ein bisschen küssen. In Sicherheit. Denn der Schlüssel zum Kuss Kosmos ist ein Kuss zwischen gleichgesinnten Kosmonauten.

© Ani 2013